Entwickelt ein Mensch im Internet eine Abhängigkeit, so sprach man früher von „Internet-Sucht“. Manche sprachen auch von „Medien-Sucht“ oder „Online-Sucht“. Diese Begriffe werden heute von Expert*innen nicht mehr verwendet. Denn sie sind zu unspezifisch.
Nicht süchtig vom, sondern süchtig im Internet
Fachleute gehen davon aus, dass man nicht „süchtig nach dem Internet“, sondern nur „süchtig im Internet“ sein kann. Die Abhängigkeit besteht demnach nicht vom Smartphone, vom Computer oder von einem anderen internetfähigen Gerät. Die Abhängigkeit bezieht sich vielmehr darauf, was man im Internet tut.
So können Menschen im Internet abhängig sein von Glücksspiel, vom Einkaufen, von Pornografie, von sozialen Medien oder von Computerspielen. Diese fünf Verhaltensweisen sind die zentralen Formen von Suchtverhalten im Internet.
Nicht jede exzessive Nutzung ist Sucht
Nicht jeder Mensch, der übermäßig das Internet nutzt, ist süchtig. Zu einem Suchtverhalten wird es dann, wenn bestimmte Merkmale erfüllt sind.
Drei Merkmale sind zentral: Kontrollverlust, Vernachlässigung anderer Interessen und Verpflichtungen und die Fortsetzung des Konsums trotz negativer Folgen.
Verlust von Kontrolle, Vernachlässigung und negative Folgen
Bei einem Suchtverhalten hat die betroffene Person Schwierigkeiten mit dem Internetgebrauch aufzuhören. Der Versuch weniger Zeit im Internet zu verbringen, scheitert meist.
Die Gedanken drehen sich hauptsächlich um die Online-Aktivität und die Person freut sich auf die nächste Zeit im Internet. Alltagsverpflichtungen werden vernachlässigt, weil die Person lieber den Aktivitäten im Internet nachgeht. So kann es sein, dass etwas für die Schule das Familienleben oder die Arbeit zu erledigen wäre, man aber trotzdem beim Online-Glücksspiel oder in sozialen Medien bleibt. Es kommt daher häufig mit anderen Menschen, etwa Eltern, Freunde oder Partner*in, zu Konflikten bezüglich der Internetnutzung.
Um von „Sucht“ sprechen zu können, halten diese Merkmale mehr als zwölf Monate an. Denn nicht bei jeder zeitweisen Steigerung des Nutzungsverhaltens muss es sich um ein Suchtverhalten handeln.
Wenn das Nutzungsverhalten bedenklich wird und Alarmsignale auftreten, sollte man nicht zögern, sich Unterstützung bei einer Beratungsstelle zu holen.
Ablenkung von Herausforderungen und unangenehmen Gefühlen
Es ist wichtig die Motive für den Internetkonsum kritisch zu hinterfragen. Menschen nutzen das Internet oft für eine Flucht vor Alltagsproblemen und Belastungen. Solche Nutzungsmotive gehen häufig mit einer erhöhten Suchtgefährdung einher. Problematisch wird die Internetnutzung dann, wenn es zur Dauerstrategie wird, ins Internet zu fliehen.
Gerade wenn das echte Leben überfordernd scheint, können sich Menschen leicht durch digitale Welten ablenken lassen. Dies ist kein Phänomen von Jugendlichen, sondern betrifft Erwachsene in gleichem Maße.
Echtes Leben überfordert, Internet ist Ausflucht
Das Gewinnen beim Computerspiel kann glücklich machen und vom Stress zuhause ablenken. Schlechte Stimmung kann vom Katzen-Video verdrängt werden. In sozialen Medien lassen sich Belohnungen in Form von Likes und Herzen abholen. Online-Pornografie ist für manche Menschen ein Mittel zum Abbau von Stress. Die Regulation negativer Gefühle ist ein zentrales Motiv für suchtgefährdetes Verhalten im Internet.
Besonders, wenn Erfolge und Anerkennung im realen Leben ausbleiben, erscheinen virtuelle Bestätigungen als einfacher und schneller Ersatz. Denn unterschiedliche Angebote im Internet befriedigen unser Bedürfnis nach Anerkennung, Spaß, Ablenkung oder Zugehörigkeit. Dadurch bekommen sie für manche Menschen eine große Bedeutung und sind sehr attraktiv.
Computer- und Glücksspielsucht als Erkrankung anerkannt
Internationale Manuale legen nach verbindlichen Kriterien fest, was als Krankheit zu definieren ist, was nicht. Dazu braucht es ausreichend Studien, die strengen wissenschaftlichen Kriterien standhalten. „Computerspielsucht“ und „Glücksspielsucht“ sind bereits in den Manualen als eigenständige Formen von Suchterkrankungen definiert.
„Suchtverhalten im Internet“ ist nicht in offiziellen Diagnose-Manuale zu finden, da es sich um einen Sammelbegriff handelt, der fünf zentrale Formen von Suchtverhalten im Internet sind Online-Shopping, soziale Medien, Online-Pornografie, Computerspiele und Online-Glücksspiel.
Die „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften“ – ein Zusammenschluss von 174 medizinischen Fachgesellschaften – gab Leitlinien für die Einstufung von Internet-Nutzungsstörungen heraus. Diese Leitlinien sind wissenschaftlich sehr hochwertig und gelten von 2024 bis 2029.
Mehr: