Wir führten das folgende Interview mit Sonja von Eichborn im Vorfeld der Online-Tagung „Vom Anbau bis zum Abfall: Was Rauchen mit der Umwelt macht“ am 30.5.2022. Sie leitet seit 2009 bei BLUE 21 das Projekt Unfairtobacco und arbeitet vor allem an den Themen nachhaltige Entwicklung, Alternativen zum Tabakanbau und Tabakkontrolle. Bei unserer Online-Tagung hält sie die Keynote.
Sie kommen von der Organisation „Unfairtobacco“. Warum ist Tabak unfair?
Sonja von Eichborn: Tabak ist eine Pflanze. Die kann selbst nicht unfair sein. Aber Tabakprodukte und die Tabakindustrie sind unfair. Wir haben das etwas verkürzt auf Tabak.
Was ist an der Tabakindustrie und Tabakprodukten unfair?
Sonja von Eichborn: Tabakprodukte sind unfair im Konsum: Sie machen Konsumierende abhängig und schaden der Gesundheit von Konsumierenden und Passivrauchenden. Rohtabak ist unfair in der Produktion: Der Anbau findet zumeist in ausbeuterischen Strukturen statt, zusätzlich schadet er der Umwelt in den Anbauländern. Und die Tabakindustrie arbeitet oft mit unfairen Methoden: Ich erinnere an gekaufte Wissenschaft, Lügen über die Gesundheitsgefahren ihrer Produkte oder die Versuche, die WHO zu unterwandern.
Wie kommt der Tabak in die Zigarette?
Der Tabak hat einen einfachen Weg in die Zigarette. Er wird in Monokulturen angebaut und nach der Ernte direkt getrocknet. Das passiert zum allergrößten Teil im Globalen Süden, in Ländern wie Brasilien, Indien, Bangladesch, Malawi, Sambia oder Tansania.
Der Rohtabak wird nach der Fermentation bis zu 2 Jahre gelagert, anschließend in der Zigarettenfabrik mit anderen Tabaken gemischt, mit Zusatzstoffen versehen und zu Zigaretten verarbeitet.
Und was hat das mit Umweltschutz zu tun?
Sonja von Eichborn: Die Tabakindustrie hat einen Klimafußabdruck, der etwa so groß ist wie der Österreichs oder wie zweimal Dänemark. Und ein Klimafußabdruck ist eigentlich nur die Addition von einzelnen Umweltschäden, die in ihrer Summe dann den Klimaschaden ausmachen.
Das malerische Bild der grünen Tabakfelder trügt nämlich. Für den Tabakanbau sind viele Chemikalien wie Dünger oder Pestizide notwendig. Deren Auswaschungen landen in Böden und Gewässern, sie schädigen auch die Biodiversität. Außerdem braucht der Tabak im Anbau enorm viel Wasser. Das fehlt dann in Regionen, in denen Wasser ohnehin knapp ist.
Nach der Ernte wird der Tabak getrocknet. Dadurch erhält er seine charakteristische Farbe. Diese Trocknung zum Rohtabak benötigt viel Feuerholz, das oft aus lokalen Wäldern eingeschlagen wird. Das heißt, der Wald ist als CO2-Speicher weg, und das Holz wird auch noch verbrannt. Dadurch wird noch mehr CO2 in die Atmosphäre gepustet.
Wird Tabak zu Zigaretten verarbeitet, braucht das erneut viel Wasser. Und der Transport von Tabak und Tabakprodukten per Schiff und LKW setzt CO2 frei. Am Ende stehen die Zigarettenstummel, die größtenteils einfach weggeworfen werden. Auch das ist ein Umweltproblem.
Warum braucht nach der Ernte auch die Zigaretten-Herstellung viel Wasser?
Sonja von Eichborn: Das gilt besonders für das Aufbringen von Zusatzstoffen. Der Tabak bleibt ja nicht pur, sondern wird mit Zusatzstoffen versehen, die das Rauchen angenehmer machen und das Suchtpotenzial erhöhen. Und damit ist es nicht wie beim Kuchenteig: Alles zusammengeben und rühren. Nein, diese Zusatzstoffe werden über Wasserdampf auf den Tabak gesprüht. Das benötigt natürlich enorm viel Wasser. Und dabei entsteht auch giftiges Abwasser.
Heißt all das, die E-Zigarette ist umweltfreundlicher?
Sonja von Eichborn: Das Nikotin ist bei der E-Zigarette im Liquid enthalten, also in der Flüssigkeit, die verdampft wird. Das Nikotin wird aus der Tabakpflanze extrahiert und gereinigt, in einem chemischen Verfahren. Es gibt bereits synthetisches Nikotin, das allerdings deutlich teurer in der Herstellung ist und außerdem etwas andere Eigenschaften hat. In den allermeisten E-Zigaretten ist Nikotin aus der Tabakpflanze enthalten.
Die Kosten für die Umwelt sind also vergleichbar hoch. Auch für die E-Zigarette muss Tabak wachsen, geerntet, gelagert und transportiert werden. Es entstehen daher ähnlich hohe Umweltbelastungen wie bei Tabakzigaretten. Die beiden Schritte der Fermentierung und des Auftragens von Zusatzstoffen entfallen zwar, aber dafür kommen Umweltbelastungen für Produktion und Entsorgung des Geräts sowie des Akkus dazu. In Summe schätze ich die E-Zigarette als vergleichbar schädlich für die Umwelt ein wie die Tabakzigarette.
Und der Tabakerhitzer?
Sonja von Eichborn: Da der Tabakerhitzer aus Zigaretten und Gerät mit Akku besteht, kommt hier die ganze Palette an Umweltschädlichkeit zum Tragen.
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