Nikotinbeutel kamen Ende der 2010er-Jahre auf den europäischen Markt. In Österreich wurden die ersten Marken ab Ende 2019 verkauft. Anfang des Jahres 2020 folgte die erste große Werbe-Offensive für Nikotinbeutel.
Nikotin auf Zellulose
Nikotinbeutel sind kleine Beutel, die man sich in den Mund schiebt. Dort, zwischen Lippe und Zahnfleisch, geben sie Nikotin ab. Die Beutel beinhaltet nicht den gesamten Tabak, sondern nur den Sucht erzeugenden Stoff, das Nikotin.
Deshalb vermarkten Hersteller sie als „tabakfrei“. Statt über Tabak wird das Nikotin in den Beuteln über andere Trägersubstanzen transportiert – etwa über Salze und Zellulose.
White Snus mit Minze oder Heidelbeere
Eine andere Bezeichnung für Nikotinbeutel ist „Nikotin-Pouches“. International setzt sich in der Vermarktung und in der Alltagssprache zusehends der Begriff „White Snus“ durch.
Typisch sind vielfältige Geschmacksrichtungen von Pfefferminze über Zimt bis zu Frucht-Aromen wie Blueberry und Zitrone. Besonders häufig werden Nikotinbeutel mit verschiedenen Varianten von Minze angeboten und als vermeintlich kühlendes Produkt mit Begriffen wie „cool“, „freeze“ oder „cold“ beworben.
Anfangs von kleinen Start-up-Firmen erzeugt, sind Nikotinbeutel mittlerweile ein wichtiges Standbein der weltweiten Tabak- und Nikotinindustrie. Diese sehen sie neben konventionellen Zigaretten, E-Zigaretten und Tabakerhitzern als zukunftsträchtiges Produkt.
National noch nicht von Gesetzen erfasst
In der Steiermark unterliegen Nikotinbeutel seit Oktober 2024 dem Jugendschutz. Auch in einzelnen anderen österreichischen Bundesländern dürfen diese Produkte ausdrücklich nicht an Jugendliche verkauft und nicht von diesen konsumiert werden.
Alles außer dem Jugendschutz regelt jedoch die nationale Gesetzgebung. Und in diese sind Nikotinbeutel trotz jahrelanger Marktpräsenz noch immer nicht inkludiert.
So sind Nikotinbeutel vom österreichischen Tabak- und Nichtraucherinnen- und Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) noch nicht erfasst, ebenso wenig vom Tabaksteuergesetz (TabakStG) und vom Tabakmonopolgesetz (TabakMG).
Für Sponsoring von Events eingesetzt
Diese gesetzliche Situation hat weitreichende Konsequenzen: Nikotinbeutel dürfen beworben werden als ob sie kein Suchtpotenzial hätten. Sie werden dementsprechend als harmloses Lifestyle-Produkt vermarktet. Für ihre Bewerbung sind auch Begriffe wie „pflanzlich“, „natürlich“ oder „mit frischen Aromen“ erlaubt. Auch Marketing-Formen wie Gewinnspiele, Plakate, Gratis-Proben sind für sie legal. All dies ist bei allen anderen Tabak- und Nikotinprodukten aus triftigen Gründen durch nationale Gesetzgebung unterbunden.
Häufig werden Nikotinbeutel für Sponsoring eingesetzt. Die Tabak- und Nikotinindustrie sponsert damit beispielsweise Musik-Festivals und Sport-Veranstaltungen.
Für Konsument*innen nicht nachvollziehbar, was drinnen ist
Außerdem ist das Produkt selbst nicht reguliert: Zu allen anderen Nikotinprodukten hat die Tabak- und Nikotinindustrie aufgrund ihres hohen Gefährdungspotenzials Vorgaben zu Inhaltsstoffen, Zusatzstoffen und Verpackung. Zu Nikotinbeuteln hat sie das nicht.
So ist beispielsweise die Nikotin-Dosis nicht geregelt. Nikotinbeutel haben dementsprechend keine Obergrenze für Nikotin. Für Konsument*innen ist aufgrund der mangelnden nationalen Gesetzgebung nicht nachvollziehbar, welche Inhalts- und Zusatzstoffe in welcher Dosis in ihren Beuteln enthalten sind.
Besteuert wie ein unbedenkliches Konsumprodukt
Nikotinbeutel sind in Österreich besteuert wie ein unbedenkliches Konsumprodukt. Die Besteuerung entspricht nicht ihrem Gefährdungspotenzial. Durch die niedrige Steuer können sie billiger als vergleichbare Nikotinprodukte angeboten werden. Neben den Aromen und der guten Verfügbarkeit macht der Preis sie besonders attraktiv.
Nikotinbeutel sind in Österreich frei verkäuflich. Sie fallen nicht unter das Tabakmonopol. Damit haben sie eine hohe Verfügbarkeit, sie sind leicht erhältlich. Eine Folge davon ist auch, dass es keine offizielle Statistik gibt, wie viele Nikotinbeutel in Österreich verkauft werden.
Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene
Eine Befragung im Jahr 2022 zeigte, dass in Österreich in der Bevölkerung ab 15 Jahren jeder Hundertste (1,1 Prozent) täglich Nikotinbeutel konsumiert. Weitere 1,0 Prozent konsumiert sie gelegentlich.
Je jünger die Menschen sind, desto häufiger konsumieren sie Nikotinbeutel: Während bei den 15- bis 34-Jährigen 1,9 Prozent täglich und weitere 2,1 Prozent gelegentlich Nikotinbeutel konsumieren, sind es bei den 15-Jährigen 3,1 Prozent täglich und weitere 10,0 Prozent gelegentlich. Nikotinbeutel werden also nicht nur, aber vor allem von jungen Menschen konsumiert.
Männer konsumieren häufiger Nikotinbeutel als Frauen. Unter Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss ist der Konsum besonders hoch.
Für Österreich gibt es noch keine Vergleichszahlen, die eine Entwicklung im Konsum im Laufe der Jahre aufzeigen. Hier gibt ein Blick nach Schweden Aufschluss, dem Land mit der längsten Erfahrung mit Nikotinbeuteln. Bereits 2016 kamen sie dort auf den Markt. Im Laufe der Jahre zeigte sich in Schweden ein deutlicher Anstieg im Konsum, insbesondere bei jungen Menschen. Das ergaben mehrere Befragungen, etwa diese und diese. Für weitere Entwicklungen dieser „Vorreiter“ von Nikotinbeuteln wird im Jänner 2025 ein Bericht über den Konsum in nordischen Ländern erwartet.
Kann genauso süchtig machen wie Zigaretten
Nikotin in Nikotinbeuteln kann genauso süchtig machen wie Nikotin in anderen Produkten, etwa in Zigaretten und E-Zigaretten. Häufig haben Nikotinbeutel einen besonders hohen Nikotingehalt.
Nikotinbeutel sind im Unterschied zu pharmazeutisch geprüften Nikotinersatztherapie-Produkten kein zur Tabakentwöhnung zugelassenes Mittel. Weltweit werden in keinem Land Nikotinbeutel zur Entwöhnung empfohlen.
Häufig mit Snus verwechselt
Häufig werden Nikotinbeutel mit Snus verwechselt. Snus beinhaltet Tabak, ist ein altes Produkt und gesetzlich gänzlich anders geregelt. In der Europäischen Union (EU) außer Schweden ist der Verkauf verboten.
Im September 2022 veröffentlichte VIVID – Fachstelle für Suchtprävention ein Factsheet über Nikotinbeutel für Lehrer*innen, Gesundheitsberufe und andere Fachleute. Für Jugendliche wurde ein eigener Flyer entwickelt.
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