Verhaltenssüchte sind Störungen bei alltäglichen Verhaltensweisen. Im Unterschied zu substanzgebundenen Suchtformen wie Alkoholismus nehmen Betroffene keine psychoaktiven Substanzen ein, sondern entwickeln exzessive belohnende Verhaltensweisen. Negative Gefühle wie Frustationen, Ängste, Verunsicherung oder Langeweile werden dadurch verdrängt.
Exzessives Glücksspiel kann schnell zur Sucht werden. Extreme Nutzungsmuster beim Computerspielen oder Gebrauch des Internets erfüllen ebenfalls die Kriterien einer Abhängigkeit. Darüber hinaus werden viele andere Verhaltensweisen in extremer Ausprägung als Sucht oder Abhängigkeit bezeichnet, z. B. Arbeits-, Kauf- oder Sexsucht.
Verhaltenssüchte haben oftmals zerstörerische Tendenzen für die Betroffenen und ihre Angehörigen.
Epidemiologische Studien und Daten zu Verhaltenssüchten:
Bislang sucht man vergeblich nach repräsentativen, epidemiologischen Daten zur Arbeitssucht. Es gibt Schätzungen, wonach fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung arbeitssüchtig sein könnten, diese Zahl ist jedoch nicht wissenschaftlich abgesichert. Es gibt nur wenige Untersuchungen in den USA und im deutschsprachigen Raum, die jedoch aufgrund ihrer kleinen Stichproben von begrenzter Aussagekraft sind.
Zur Prävalenz von Essstörungen gibt es in Österreich nur grobe Schätzungen, da repräsentative, epidemiologische Studien fehlen. Gebräuchlich ist eine Anwendung von Ergebnissen deutscher Studien um annäherungsweise Aussagen zur Verbreitung der Essstörungen in Österreich treffen zu können.
Demnach erkranken schätzungsweise 200.000 Österreicherinnen zumindest einmal im Laufe ihres Lebens an einer Essstörung. D. h. etwa jede 15. Frau in Österreich ist betroffen.
International geht man von einer Prävalenz von 0,5 bis ein Prozent aller Mädchen und jungen Frauen aus, die an Magersucht (Anorexia nervosa) leiden, wobei es vermutlich eine hohe Dunkelziffer gibt. An Anorexia nervosa erkranken hauptsächlich Mädchen und junge Frauen. Nur fünf Prozent aller Magersüchtigen sind Männer. Im Alter von 14 bis 18 Jahren kommt die Anorexia nervosa am häufigsten vor. Zehn Prozent der Erkrankten sterben an den Folgen der Unterernährung, bei 30 Prozent wird die Erkrankung chronisch und kann ein Leben lang andauern.
Hinsichtlich der Häufigkeit von Bulimie gehen Schätzungen davon aus, dass zwei bis vier Prozent der 20- bis 30-jährigen Frauen an Ess-Brechsucht leiden. Vor allem Frauen sind von Bulimie betroffen. Die Krankheit beginnt meist im Alter von 18 bis 20 Jahren, etwas später als im Fall der Magersucht. Selten kommt eine Erkrankung vor dem zwölften Lebensjahr vor.
Internationale Schätzungen hinsichtlich der Häufigkeit von Binge-Eating-Disorder gehen davon aus, dass ungefähr zwei Prozent der Bevölkerung an einer Binge-Eating-Disorder leiden. Frauen haben eine um eineinhalb höhere Wahrscheinlichkeit als Männer von dieser Essstörung betroffen zu sein. Da es sich um ein relativ neues Krankheitsbild handelt, ist über den Verlauf der Binge-Eating-Störung und über die Verbreitung noch wenig bekannt.
Studien zufolge hat der Anteil von übergewichtigen und adipösen Kindern und Jugendlichen in den vergangen Jahren deutlich zugenommen. Dies ist insofern bedenklich, da mit Übergewicht und Adipositas zahlreiche Erkrankungen einhergehen und darüber hinaus davon ausgegangen werden kann, dass in der Kindheit angelegtes Übergewicht in den meisten Fällen auch zu Gewichtsproblemen im Erwachsenenalter führt. Laut einer Befragung unter 11-, 13- und 15-jährigen österreichischen Schüler*innen besitzen 12 Prozent der Schüler*innen einen erhöhten Body Mass Index, wobei drei Prozent als adipös zu bezeichnen sind (Burschen sieben Prozent, Mädchen ein Prozent) (HBSC 2006, S. 26).
Die diagnostizierten Essstörungen sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Ob dies der tatsächlichen Problementwicklung folgt, ist schwer zu sagen. Der Anstieg kann ebenfalls Ausdruck einer stark angestiegenen Thematisierung der Essstörungen in den Medien und im Gesundheitssystem sein, die sich in den Diagnosen widerspiegelt.
Die Diagnose Essstörung wird beinahe ausschließlich bei Frauen gestellt, obwohl nun auch bei Männern eine Zunahme festzustellen ist. Man schätzt, dass drei bis zehn Prozent der Männer von Essstörungen betroffen sind (Reich/Cirpka 1997).
In Österreich lagen bisher kaum empirische Erkenntnisse über die Glücksspielteilnahme und -probleme der Bevölkerung vor. Im Jahr 2011 wurde eine Studie der Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung (Kalke et al.) durchgeführt, die zu folgenden Ergebnissen kam:
0,4 Prozent der Befragten weisen ein problematisches und 0,7 Prozent ein pathologisches Spielverhalten auf. Das sind insgesamt etwa 64.000 Personen in Österreich, also 1,1 Prozent der erwachsenen Bevölkerung (im Alter von 14 bis 65 Jahren).
Das größte Gefährdungspotential der in Österreich angebotenen Glücksspiele besitzen die Glücksspielautomaten. Die Prävalenz problematischen und pathologischen Spielens ist bezüglich dieser Spielart mit Abstand am höchsten. Es folgen die Sportwetten und – schon mit deutlichem Abstand – die klassischen Casinospiele. Das niedrigste Gefährdungspotential weisen laut Untersuchung Lotteriespiele auf.
Von überdurchschnittlich hohen Problemprävalenzen sind 18- bis 35-jährige Personen mit Pflichtschulabschluss, Arbeitslose, gering Verdienende und SpielerInnen mit häufiger Spielteilnahme bei gleichzeitig hohem Geldeinsatz betroffen. Zudem weisen Personen mit Migrationshintergrund sowie Befragte, in deren Familien aktuell glücksspielbezogene Probleme bestehen, ein erhöhtes Risiko auf, selbst Spielprobleme zu entwickeln.
Laut der achten Österreichischen Kaufsuchtgefährdungsstudie 2011 (Kollmann/Kautsch) der Arbeiterkammer werden rund 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung als kaufsuchtgefährdet und acht Prozent als kaufsüchtig eingestuft. Insgesamt sind also 28 Prozent der Bevölkerung betroffen. Der Anteil weiblicher Kaufsuchtgefährdeter liegt auf einem sehr hohen Niveau deutlich über dem der männlichen Befragten. Insbesondere jüngere Menschen und Frauen sind von Kaufsucht betroffen. Faktoren für Kaufsuchtgefährdung sind laut der Untersuchung folgende: Geschlecht (weiblich), Alter (unter 30 Jahren), Familienstand (ledig, verwitwet) und politisches Desinteresse.
Bislang sucht man vergeblich nach repräsentativen, epidemiologischen Daten zur Sexsucht und Typisierungen sexsüchtigen Verhaltens sind wissenschaftlich umstritten. Schätzungen über die Häufigkeit von Sexsucht gehen stark auseinander. Die Angaben schwanken dabei – je nach Definition – von ein bis sechs Prozent in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung. Über die Anzahl der Sexsüchtigen in Österreich gibt es keine seriösen Zahlen. Es dürften aber deutlich mehr Männer als Frauen von dieser Krankheit betroffen sein.