Online-Shopping birgt ein höheres Suchtpotenzial als das klassische physische Einkaufen. Das hat mehrere Gründe.
Einerseits ist es anonym, im Internet einzukaufen. Dadurch fällt die soziale Kontrolle weg. Wer hingegen oft physisch in ein Geschäft geht, kann dabei von Anderen gesehen werden. Die Anonymität im Internet regt dazu an, mehr einzukaufen.
Das Internet hat nie geschlossen
Neben dieser Ortsunabhängigkeit ist Online-Einkaufen auch zeitunabhängig: Die Waren sind rund um die Uhr verfügbar. Das Internet hat nie geschlossen, Shoppen ist daher immer möglich.
Außerdem gibt es ein deutlich größeres Angebot. Im physischen Laden kann auch einmal etwas nicht erhältlich sein. Dies passiert im Internet nicht. Wer sucht, der findet es.
Auch manipulative Mechanismen beeinflussen das Online-Kaufverhalten. Sie regen zum Kauf an. Manipulative Mechanismen sind beispielsweise Verknappung, die Möglichkeit von Ratenzahlungen, versteckte Abo-Fallen und individuelle Werbung.
Verknappung vermittelt, dass diese Ware nur mehr begrenzt verfügbar ist und man daher rasch zuschlagen soll. Ratenzahlungen können dazu anregen, mehr zu kaufen als man sich leisten kann. Abo-Fallen können im Internet besser getarnt werden als in der Offline-Welt, denn ein Häkchen ist schneller angeklickt als eine echte Unterschrift getätigt.
Influencer regen junge Menschen zum Einkaufen an
Die Werbung, die geschalten wird, ist auf das bisherige individuelle Kaufverhalten abgestimmt. Man bekommt verstärkt Angebote, die auf eigene Bedürfnisse, auf die eigenen Interessen abgestimmt sind. Dies regt zu weiterem Einkaufen an.
Junge Menschen werden häufig über Influencer*innen angeregt, bestimmte Produkte zu kaufen. Oft entstehen der Eindruck und das Bedürfnis, das vom Vorbild angepriesene Produkt auch haben zu müssen. Unternehmen bezahlen Influencer*innen dafür, dass sie ihre Produkte bewerben. Dies ist Konsument*innen während des Akts des Kaufens nicht immer bewusst.
Häufiges Shoppen führt zu mehr Suchtpotenzial
Die Häufigkeit des Einkaufens sagt etwas über die Gefährdung einer Abhängigkeit aus. Das fand die Arbeiterkammer Österreich (AK) in ihrer Kaufsucht-Studie heraus.
Die AK untersucht seit dem Jahr 2004 jährlich die Kaufsucht von Menschen. Sie stellte fest: Wer wöchentlich online einkauft, hat ein deutlich höheres Risiko für die Entwicklung einer Abhängigkeit im Vergleich zu Menschen, die seltener im Internet einkaufen.
Der Anteil an kaufsüchtigen Menschen in der österreichischen Bevölkerung nimmt leicht ab. Im Jahr 2023 hatten rund 9 Prozent der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren ein süchtiges Kaufverhalten. Dies umfasst Online-Shopping und physisches Kaufen im Geschäft. Weitere 12 Prozent zeigen sogenanntes „Kompensatorisches Kaufen“. Dies ist noch kein süchtiges Verhalten, jedoch problematisch. Der Übergang kann fließend sein.
Kaufen aus Frust nach einem schlechten Tag
„Kompensatorisches Kaufen“ ist oft Kaufen aus Frust. Es ging etwas schief oder man hatte generell einen schlechten Tag, und am Abend belohne man sich mit einem Kauf im Internet.
Dabei geht es um den Akt des Kaufens, nicht darum, ob ich ein Konsumgut brauche oder nicht. Es ist ein häufiger unkontrollierter Konsum von Konsumgütern. In diesem Kontext wird er zur Gefühlsregulation eingesetzt.
Anhäufung von Gütern als Statussymbol
Die Betroffene erfahren mitunter sogar soziale Anerkennung, weil sie sich viel leisten können. Die Anhäufung von Gütern ist ein Statussymbol. Daher ist das Problembewusstsein gering.
Kaufsucht wird daher häufig erst in einem späten Stadium behandelt – etwa, wenn bereits Schulden angehäuft sind, die nicht mehr bezahlt werden können. Wird Online-Shopping zur Sucht, so wird dies häufig lange Zeit verdeckt und geheim gehalten.
Grundsätzlich ist Kaufsucht eher ein weibliches Phänomen. Es betrifft Frauen signifikant häufiger als Männer. So sind laut Kaufsucht-Studie 24 Prozent der Frauen und 17 Prozent der Männer davon betroffen. 11 Prozent der Frauen sind kaufsüchtig, 13 Prozent weisen kompensatorisches Kaufverhalten auf. Bei den Männern ist insbesondere das süchtige Kaufverhalten mit 6 Prozent fast um die Hälfte geringer als bei den Frauen. 11 Prozent der Männer zeigen kompensatorisches Kaufverhalten.
Risikofaktoren: weiblich, jung, bargeldloses Bezahlen
Besonders gefährdet für die Entwicklung einer Kaufsucht sind junge Frauen im Alter von 14 bis 29 Jahren. In dieser Altersgruppe hat mit 33 Prozent rund ein Drittel süchtiges oder kompensatorisches Kaufverhalten. Bei den Ab-60-Jährigen ist mit 9 Prozent nicht einmal jede zehnte Person betroffen.
Menschen mit einem höheren Einkommen sind eher kaufsüchtig als Menschen mit niedrigerem Einkommen. 16 Prozent der Einkommen über 3.000 Euro sind kaufsüchtig, während das auf 9 Prozent der unteren Einkommen zutrifft.
Wer häufig bargeldlos bezahlt (etwa mit Bankomatkarte, Kreditkarte oder Smartwatch) ist signifikant suchtgefährdeter als jemand, der dies nur hin und wieder oder nie macht. Von denen, die häufig ohne Bargeld bezahlen, gelten 11 Prozent als kaufsüchtig und weitere 15 Prozent als kaufsuchtgefährdet. Bei denen, die das nur hin und wieder oder nie machen, sind 6 Prozent kaufsüchtig und 9 Prozent kaufsuchtgefährdet.
Außer Online-Shopping zählen auch soziale Medien, Computer-Spiele, Online-Glücksspiel und Online-Pornografie zu den fünf Formen des Suchtverhaltens im Internet.
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